Auf dieser Seite finden Sie ein konkretes Beispiel als Resultat aus der Arbeit mit dem 5-Aktionsmuster-Modell. Dabei geht es um eine klientenzentrierte Beratung im Rahmen der Berufsorientierung eines Jugendlichen.
Für die klientenzentrierte Beratung gilt ebenfalls die goldene Regel der Kommunikation. Dabei wird die Kommunikationsqualität nun zur Beratungsqualität.
„Was du an Konfliktpotential sparen willst, musst du an Beratungsqualität dazu geben“.
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↓ Die Aktionsmuster (Kriterien)
↓ Die Aktionsmuster (Verhalten)
Ein Jugendlicher erläutert in einer Beratung zur Berufsorientierung, dass er nicht genau weiß, welchen Beruf er wählen soll. Er hat vier Berufe in die engere Wahl genommen. So den Pferdewirt, den Tierärztlichen Assistenten, den Landmaschinenmechaniker sowie den Beruf des Fleischers. Er möchte sich seiner Wahl sicherer sein und sieht dies als Beratungsziel.
Der Jugendliche soll die Beratung so sicher wie möglich hinsichtlich seiner Wahl verlassen. Sollten sich Umstände ergeben, die zu Konflikten in der Wahl führen können, soll sich der Ratsuchende in der Lage sehen, sich selbst zu reflektieren und Schlüsse zu ziehen, die wiederum für mehr Sicherheit und Orientierung sorgen. Da Berufsorientierung ein Prozess ist, ist die Möglichkeit weiterer Inanspruchnahme einer Beratung wünschenswert.
Die Kriterien sind das Gefäß der Formulierungen. Hier sind einige Beispiele aus den fünf Aktionsmustern:
Aktionsmuster 1 – Minimale Beratungsqualität
- Beiläufiges Zuhören
- Wertendes Verhalten
Aktionsmuster 2 – Niedrige Beratungsqualität
- Defizitfeedback
- Unspezifische Nachfragen
- Häufige Nutzung von Fachsprache
Aktionsmuster 3 – Mittlere Beratungsqualität
- Bemühung um Verstehen und Verständnis
- Authentisches Verhalten
- Zielkongruenz
Aktionsmuster 4 – Hohe Beratungsqualität
- Aufmerksames und aktives Zuhören
- Erfragen von flankierenden Informationen
- Interesse an dem weiteren Prozess
Aktionsmuster 5 – Sehr hohe Beratungsqualität
- Perspektivwechsel
- Authentisches und kongruentes Verhalten
- Augenhöhe
- Völlige Bewertungsfreiheit
- Akzeptanz individueller Wirklichkeiten
Hier folgt ein beispielhaftes Verhalten in den verschiedenen Aktionsmustern:
Aktionsmuster 1 – Minimale Beratungsqualität
Die Beraterin hört zu und zählt in Folge Vor- und Nachteile der Berufe aus ihrer Sicht auf. Sie erläutert welcher Beruf eine Zukunft hat. Das Vorgehen in der Beratung berücksichtigt dabei kaum die Eigenschaftsmerkmale klientenzentrierter Beratung. Dies kann beim Ratsuchenden als verständnislos aufgenommen werden und trägt nicht zu mehr Wahlsicherheit bei.
Aktionsmuster 2 – Niedrige Beratungsqualität
Die Beraterin hört zu, stellt Rückfragen und bewertet die darauffolgenden Antworten. Sie weist auf einen vermeintlichen Widerspruch zwischen den Berufen Fleischer und Tierärztlichen Assistenten hin. Gleichzeitig erwähnt die Beraterin, dass sie nicht viel Mühe des Ratsuchenden erkennen könne, sich ausreichend zu informieren. Aber sie unterstützt das Gespräch durch weitere Nachfragen, aus welchen der Ratsuchende Antworten erhält. Dabei benutzt die Beraterin viele Fachwörter.
Der Ratsuchende kann sich hier durch Bewertungen der Beraterin unsicher fühlen und es besteht die Möglichkeit, dass er sich nicht weiter anvertraut, auch weil die Beraterin eine Fachsprache benutzt und hier keine Augenhöhe hergestellt wird. Im Weiteren kann es schwierig werden, wenn die Beraterin nicht authentisch wirkt und mehr noch, wenn sie nicht kongruent erscheint.
Aktionsmuster 3 – Mittlere Beratungsqualität
Die Beraterin hört aufmerksam zu und formuliert das von ihr Verstandene um. Sie bittet den Ratsuchenden, seine Motivation für die Vorauswahl der genannten Berufe zu erläutern und fragt nach, ob es viele freie Stellen in den Berufen gäbe. Dabei ist sie dem Ratsuchenden zugewandt und wirkt authentisch. Die Beraterin stellt weitere Fragen zur Motivation und bittet um eine Einschätzung, bei welchem Beruf ein jeweils hoher Grad an Zufriedenheit erwartet werden kann.
In diesem Gespräch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Ratsuchende sich ernst genommen fühlt und das Gefühl bekommt, dass ihm die Beratung weiterhelfen wird. Des Weiteren dürfte sich in der Situation ein Vertrauensrahmen aufbauen, der für eine klientenzentrierte Beratung und einen weiteren Fortgang sehr wichtig ist.
Aktionsmuster 4 – Hohe Beratungsqualität
Die Beraterin hört aufmerksam zu und stellt punktuell Verständnisrückfragen. Sie formuliert das Verstandene um und gibt dies dem Ratsuchenden als Rückmeldung, mit der Bitte um Bestätigung oder Berichtigung. Die Beraterin konkretisiert über Fragestellungen die Themen und bittet den Ratsuchenden um Erläuterungen, worauf wiederum Verständnisfragen sowie Feedback erfolgen.
Zusätzlich bittet die Beraterin um die Erklärung der Motivation für die Vorauswahl der genannten Berufe sowie um die Besonderheiten der Auswahl, zusätzlich zu der Einschätzung, bei welchem Beruf und warum ein jeweils hoher Grad an Zufriedenheit erwartet wird. Dabei legt sie eine werteorientierte und wertschätzende Haltung an den Tag, ist authentisch und kongruent. Bei der Verabschiedung zeigt die Beraterin Interesse, in bestimmten Abständen über den Fortschritt informiert zu werden.
Der Ratsuchende fühlt sich in diesem Gespräch an- und ernstgenommen. Er spürt eine Augenhöhe in einer vertrauensvollen Atmosphäre. Der Ratsuchende hat die Möglichkeit zur Orientierung und kann neue Gedanken fassen, vielleicht auch Bestätigung für seine bisherigen Überlegungen. Er dürfte die Beratung zufrieden verlassen und die Beraterin über Fortschritte informieren.
Aktionsmuster 5 – Sehr hohe Beratungsqualität (Perspektivwechsel)
Die Beraterin hört sehr aufmerksam zu und stellt punktuell Verständnisrückfragen. Sie formuliert das Verstandene um und gibt dies dem Ratsuchenden als Rückmeldung, mit der Bitte um Bestätigung oder Berichtigung. Dabei interessiert sie auch das soziale Umfeld des Ratsuchenden und bittet um seine Sicht der Dinge, inwieweit er Äußerungen und Anregungen als unterstützend oder möglichweise auch störend empfindet.
Die Beraterin verhält sich einfühlsam und schildert Ihre Vorstellung der Situation aus Sicht des Ratsuchenden. Sie bewertet nicht und bittet ihn um Feedback, ob sich dies ebenso darstellt. Auf diesem Wege kann die Beraterin ein Gefühl für die Wirklichkeit des Ratsuchenden entwickeln und entsprechend Fragen ableiten. Sie stellt dem Ratsuchenden Fragen, mit welchen Gefühlen dieser seine Berufsorientierung angeht.
Dabei steht im Fokus, dass der Ratsuchende Antworten finden und seine Kompetenz weiterentwickeln kann. Auch hier legt die Beraterin eine werteorientierte und wertschätzende Haltung an den Tag, ist authentisch und kongruent. Bei der Verabschiedung bietet die Beraterin an, dass sich der Ratsuchende in bestimmten, vielleicht belastenden Situationen melden darf, um diese zu besprechen. Sie blickt auf den Ratsuchenden dabei ganzheitlich und nicht nur situativ. Gerne möchte sie über den Fortschritt informiert werden.
Der Ratsuchende darf sich in diesem Gespräch an- und ernstgenommen fühlen. Er spürt Augenhöhe in einer vertrauensvollen Atmosphäre. Da die Beraterin unaufdringlich und nicht bewertend auch die Lebenswelt des Ratsuchenden einbezieht, dürfte sich ein Vertrauensrahmen aufbauen, der sich möglicherweise auch auf andere Beratungssituationen auswirken und für langfristige Beratungsverlässlichkeit sorgen kann. Der Ratsuchende dürfte die Beratung sehr zufrieden und mit gutem Gefühl verlassen, um sich weiter über seine Berufswahl klar werden zu können.
In der Beratung wurden viele Fragen gestellt, die für eine Antwort ausformuliert werden müssen (offene Fragen). Hierdurch wird dem Jugendlichen Raum gegeben, sich auszudrücken. Gerade bei klientenzentrierter Beratung in der beruflichen Beratung gilt es zu beachten, dass es primär um den Jugendlichen, seine Welt und seine Bedürfnisse geht.
Die Formulierungen der Beraterin sind frei zu gestalten. Es gibt also kein richtig und falsch. Die Fragen sollen dabei so formuliert werden, dass sie durch den Jugendlichen verstanden werden können. Damit sind umgangssprachliche, wertfreie und zur Fragerin passende Formulierungen gemeint.
Hier sind einige Beispiele für Formulierungen, die über die Kriterien in den verschiedenen Aktionsmustern in diesem Fall genutzt wurden:
- Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?
- Werden Sie in der Berufsorientierung unterstützt? Wer macht das und wie werden Sie unterstützt?
- Haben Sie den Eindruck, dass die Unterstützung Ihre Wünsche berücksichtigt?
- Sie sagen, der Betriebsinhaber sei ein Arschloch. Was zeichnet ein Arschloch aus?
- Woher soll ich das wissen? Sie sind Ihr eigener Experte. Deswegen bin ich auf Ihre Erklärungen angewiesen.
- Was Sie da vorhaben, das klappt nicht.
- Sie haben da völlig falsche Vorstellungen.
- Woran merken Sie, dass Sie sich auf einem Weg befinden?
- Lassen Sie uns einmal gemeinsam schauen, wie wir die unterschiedlichen Lern- und Arbeitsperspektiven sortieren können.
- Andere haben mir berichtet, sie haben hinterher einmal gewechselt und das war gut so.
- Sie müssen sich schon danach richten, was es im Angebot gibt
- Ich habe den Eindruck, wir kommen so nicht weiter.
- Wenn ich mir vorstelle, ich sei an Ihrer Stelle, dann würde ich bei den ganzen Berufen nicht genau wissen, was ich machen sollte. Wie ist das bei Ihnen und was ist das für ein Gefühl?
- Wir haben nicht so viel Zeit, deswegen müssen wir hier etwas schneller arbeiten. Wir können aber die Beratung später weiterführen.
- Haben Sie sich schon einmal über etwas informiert, bei dem es eine große Auswahl gab? Zum Beispiel bei der Auswahl eines Handys? Wie haben Sie das gemacht und wie haben Sie am Ende Ihr Handy gefunden?
- Wenn Ihnen noch etwas einfällt, melden Sie sich einfach.
Das waren jetzt einige Bespiele durch alle fünf Aktionsmuster. Die Formulierungen folgen alle bestimmten Kriterien – jede auf eine bestimmte Art und Weise. Wenn Sie sich die Formulierungen jetzt noch einmal durchlesen, dann hören Sie einmal in sich hinein, als wenn Sie danach gefragt würden. Wo fühlen Sie sich anerkannt, wo möglicherweise abgebügelt oder neutral?
Vielleicht ist Ihnen auch aufgefallen, dass es in der Beratung kaum um Inhalte gegangen ist. Beratung sollte Menschen in die Lage versetzen, sich selbst mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Wie sie das machen, dass ist das eigentliche Rezept für ein Gelingen.